Der Run auf die Gottéron-Tickets sorgt immer auch für Gesprächsstoff und unzufriedene Fans, die leer ausgehen. Es ist ein kompliziertes Thema, Gottéron-Blogger Patrick Fasel hat sich seine Gedanken dazu gemacht.

Zu Zeiten, als im alten Persien die Zoroastrier noch Zarathustra verehrten, betrog die Gemahlin von König Sharyar ihren Mann, worauf er sie am nächsten Morgen töten liess. Überzeugt davon, dass keine Frau ihm treu bleiben würde, heiratete er fortan jeden Tag eine neue Frau, die er am nächsten Morgen hinrichten liess.

Nicht so Scheherazade. Die erzählte dem König nach der Heirat abends bis früh in den Morgen Geschichten – sie erzählte sie aber nie zu Ende. Der König liess sie dadurch am Leben  – um in der nächsten Nacht die Fortsetzung zu erfahren. Die kluge Scheherazade hielt den König während 1001 Nacht gebannt an ihrer Seite, bis er sich entschloss, Scheherazade auf immer und ewig bei sich zu behalten. 

Früher konnte man auf den Stehplätzen sitzen

Am Dienstag verkaufte Gottéron die Tickets für die zwei ersten Viertefinal-Heimspiele. Sie waren über verschiedenste Online-Kanäle innert Minuten weg. Gross war der Aufschrei einiger, die sich kein Ticket ergattern konnten; das System sei unfair, die Informatikleute hätten keine Ahnung, alles geschoben, so die Meinung vieler unglücklicher Nichtkäufer.

In schlechten Jahren (hier in den Playouts im März 2006 gegen Zürich) sah es auf der Tribüne auch mal so aus.

Archivbild: Alain Wicht

Schnell machte eine Rechnung die Runde, von den 1500 verbleibenden Tickets seien pro Spiel 200 online und 300 vor Ort an der Kasse verkauft worden, wo denn nun die restlichen 1000 hin seien? Die Unzufriedenheit kommt bei jedem Verkauf von schnell ausverkauften Anlässen in ähnlichen Wellen daher. Warum bekomme ich kein Metallica-, Beyoncé- oder U2-Ticket? Ich muss arbeiten, die andere haben Zeit, morgens Tickets zu kaufen, ich habe dafür keine Zeit, die Welt (Gottéron) ist ungerecht.

Gottéron ist seit 2008 wieder sehr beliebt in unserer Gegend. In den Jahren zuvor spielte man ab und zu auch vor weniger als 3000 Zuschauern, die Leute auf den Stehplätzen konnten zum Teil sitzen, Platz war genügend da. Dann kam der sensationelle Coup der 2008er-Playoffs, und fortan wollten wieder sehr viele Leute ins Stadion. Was folgte, waren jahrelange Wartelisten für ein Abo. In der neuen Halle ist es gängig, dass nicht mehr enorm viele Einzeltickets in den Verkauf gelangen – und diese jeweils sehr schnell ausverkauft sind. In dieser Saison waren alle Heimspiele restlos ausverkauft.

Unattraktiver Zweitmarkt

Als der Run auf Tickets für die 2008er-Playoffs neue Ausmasse annahm, musste die Klubleitung neue Wege finden, die Tickets zu verteilen. Fertig war es natürlich mit den Gratistickets an die damaligen Ultras, die diese damals über Kleinanzeigen für 250 Franken verkauften. Seither lautet der Vorwurf der Fanclubs öfters, man würde sie vernachlässigen. 

Um neue Wege zu finden, die zahlenden Kunden bestmöglich zu erreichen, liess sich Gottéron von grossen europäischen Fussballklubs inspirieren. Gottéron war der erste Klub, der in der Schweiz einen offiziellen Zweitmarkt anbot, wo ein Abonnent seine Karte für ein Spiel freigeben kann, und er dann einen Anteil vom Wiederverkauf erhält. Das Problem bei dieser eigentlich tollen Idee ist, dass Gottéron weniger als die Hälfte des Ticketpreises erstattet, was schon ab zwei Tickets für die allermeisten Nutzer ein zu grosses Verlustgeschäft ist. Ich kaufe selber oft Tickets für Konzerte und Sportanlässe – und leider muss ich sagen, dass der Service, den Gottéron mit diesem Zweitmarkt anbietet, sehr unvorteilhaft für die Verkäufer ist. Er wird, so wie ich das beobachten kann, auch nicht rege benutzt. Deswegen gibt es parallel beispielsweise auf Facebook eine Ticketinggruppe für Gottéron-Billette, wo 5500 registrierte Benutzer ihre Tickets zu « face value », zum offiziellen Verkaufspreis, anbieten. Aus dieser Gruppe nutzt kaum jemand jemals den Zweitmarkt, weil Gottéron-Tickets sowieso innert Minuten dankend zum Originalpreis gekauft oder verkauft werden. 

«My Gottéron» als Lösungsansatz

Dieses Jahr hat Gottéron neu die (kostenpflichtige) Mitgliedschaft bei « My Gottéron» eingeführt. Unter anderem gibt es Vorteile beim Ticketing. Noch haben Mitglieder nicht wirklich Vorrang beim Ticketkauf, aber es dürfte sich in Zukunft immer mehr in diese Richtung entwickeln. Für die ersten beiden Playoff-Spiele etwa wurde pro Spiel 25 Mal das Recht verlost, zwei Tickets kaufen zu können.

Auch «My Gottéron» ist an und für sich eine gute Idee, es bringt wieder mehr Geld rein, und die richtigen Fans erhalten prioritär die Möglichkeit, in die BCF-Arena zu gehen. Wobei es auch da wieder ein Problem gibt: Gottéron-Abonnenten sind nicht automatisch Mitglieder bei «My Gottéron», obwohl sie zum Teil seit Jahrzehnten treue Kunden unseres Lieblingsklubs sind.

Wenn man also quasi Mitgliedschaften verkauft, um die Chance auf Tickets zu erhalten, sollten meiner Meinung nach zuerst alle Tickets nur via diesen Kanal verbreitet werden (bei vielen grossen europäischen Fussballclubs ist das Standard), die bisherigen Abonnenten aber auch zwingend als solche Mitglieder gelten. Ich habe drei Sitzplatzsaisonkarten und würde auch gerne viele weitere Familienmitglieder mitnehmen können. Allerdings stellt sich dann natürlich auch wieder die Frage: Wie kommt eine Familie rein, die nur selten an die Spiele kann und deshalb keine solche Mitgliedschaft hat?

Ein Hauch von Wimbledon

Ich gebe zu, das Problem ist kaum zu lösen, den perfekten Verteilschlüssel zu finden eine sehr komplizierte Angelegenheit. Sympathisch jedoch fand ich, dass Gottéron mehrere Hundert physische Tickets beim Stadion verkaufte, und sich dafür auch die Zeit nahm. Das Ganze hatte schon ein kleines Flair von Wimbledon – gut gemacht, mehr davon, Gottéron! 

Gottéron ist selbstverständlich auch Opfer seines Erfolgs; in guten Zeiten wollen alle kommen, alle dabei sein, und es gibt keine Möglichkeit alle zufriedenzustellen. Bei den vorgängig erwähnten Aussagen vieler nicht erfolgreicher Ticketkäufer kam auch der Vorwurf auf, man hätte diese Tickets wohl unter anderem auch an Sponsoren und VIPs abgegeben. Nun, diese Sponsoren blättern fünf-, sechs- oder siebenstellige Summen für Gottéron hin, ich hoffe sehr wohl, dass sie sich bei der Vertragsunterzeichnung darauf einigten, ein paar Brosamen zu kriegen, wenn es im Frühling um die Wurst geht. Und da verstehe ich Gottéron, dass sie lieber einem treuen Sponsor entgegenkommen, als die Tickets jemandem zu verkaufen, der sich jedes Jahr erst ab März für Eishockey interessiert.

Diese Ticketing-Sorgen sind wahrlich nicht einfach zu lösen, Gottéron muss vieles beachten, und vermutlich gibt es gar keine befriedigende Lösung für alle. 

Abonniere dich (wenn du kannst)

Scheherazade hatte also vielleicht den Dreh raus. Die eigentliche Erfinderin von TV-Serien und Streaming-Diensten hatte eine Botschaft an ihren König und Gemahl: Du willst das Ende hören und am nächsten Tag die Fortsetzung mitbekommen? Dann abonniere dich. Bleib du mir treu. Ich werde immer da sein. Aber eben, mittlerweile wird bei Gottéron jeweils schon im Sommer der Abo-Verkauf eingestellt, weil es sonst überhaupt keine Tickets mehr während der Saison gäbe. Die guten alten Wartelisten sind zurück.

Da ich mit dem alten Persien und den Zoroastriern begonnen habe, höre ich auch damit auf. Ich würde mich freuen, wenn Gottéron für die Playoffs den heiligen Zorn heraufbeschwören könnte, indem wieder mal «Also sprach Zarathustra» gespielt wird, die alten Fans erinnern sich bestimmt. Wir verfolgen die Geschichte auch seit vielen, vielen Nächten und würden uns freuen, auch mal eine Geschichte mit einem neuen Ende zu hören. Kurz vor dem ersten Bully gäbe es sicher Zeit für Richard Strauss. Bis am Samstag, allez Gottéron! 

Bei diesem Anblick können ältere Fans «Also sprach Zarathustra» förmlich hören.
Archivbild Alain Wicht