Handy ausgeschaltet, TV nicht eingeschaltet; FN-Gottéron-Blogger Patrick Fasel wollte von der Belle in Bern nichts wissen. Spät am Abend liefen ihm dennoch Freudentränen über die Backen.

Patrick Fasel, publiziert: 28.03.2025, 09:37 Uhr

Es mag viele erstaunen, aber ich habe mir das Spiel am Mittwoch nicht angeschaut. Meine Frau war an einem Nachtessen mit Tigerli-Sarah und ich hatte die Bubelehs ganz für mich alleine. Aber das kam mir offen gesagt auch grad gelegen. Ich verbrachte den Abend also mit Milchli, Banane und Toasts. Um 20 Uhr stellte ich mein Telefon ab, um nicht unbeabsichtigter Weise Push-Nachrichten lesen zu müssen.

Warum habe ich das Spiel 7 nicht schauen wollen? Ja, ein wichtiger Grund war die Anspannung und das damit verbundene Schreien vor dem TV, Nervöselen, Schwitzen, Rumturnen auf dem Sofa, Aufstellen von Verschwörungstheorien – Sie merken, ein eher ungesundes Programm. Ich habe von den ersten sechs Spielen viele als Abobesitzer oder auswärts als Kommentator des Drachenradios erlebt, ich war von der ständigen Anreise und Angespanntheit an den Partien grundsätzlich schon völlig fertig. Da kam ein Abend mit meinen Jungs wirklich sehr gelegen.

Mein Nachbar, der Bern-Fan

Kein Radio, kein TV, keine Push-Nachrichten, ich habe wirklich nichts vom Spielgeschehen mitbekommen. Vermutet gegen Spielmitte ging ich auf den Balkon, um die letzten Zigaretten des Tages zu rauchen. Und da sah ich etwas, das mich bezüglich des Spielstands eher verunsicherte. Mein Nachbar, der nicht weiss, dass ich Gottéron-Fan bin, ist Bern-Fan. Ich konnte in sein Wohnzimmer sehen und erkennen, dass er sich das Spiel im Fernsehen ansah. Und was ich sah, stimmte mich nicht positiv, die TV-Bilder zeigten nur Bern-Fans. Ich dachte mir, dass der Bildschirm eher die glücklichen Fans als jene zeigt, die leiden, obwohl beide sehr telegen sind. Ein etwaiges Skore konnte ich aus dieser Distanz nicht erkennen.

«Stick to your game plan», sagte ich mir, zündete mir dann die zweite Zigarette an und beschäftigte mich nicht mehr mit dem aus der Ferne unscharf flimmernden Kasten meines Nachbars. Nur vielleicht zehn Minuten später blickte ich eher unbeabsichtigt wieder in die Stube, und musste staunen, dass mein Nachbar den Fernseher ausgeschaltet hatte.

In diesem Moment kam ich zu der für mich einzig möglichen Schlussfolgerung – das Spiel war im Mitteldrittel entschieden. Und wäre Bern in Führung gelegen, hätte mein Nachbar nicht abgeschaltet, sondern bis zum Ende geschaut. Die plötzliche Dunkelheit in diesem Zimmer, gepaart mit fehlenden Torschreien, liess meinen linken Mundwinkel etwas anheben. Wenn ihr das Lächeln kennt, könnt ihr es euch vorstellen, ich schaute in etwa so drein wie Harrison Ford in «Indiana Jones» und anderen seiner Filme. Ich ging rein und legte mich ins Bett, mit dem Gedanken spielend, jetzt einfach schlafen zu gehen und am nächsten Morgen gleich als Erstes das Skore zu checken. Aber es kam anders.

Tränen der Freude und Genugtuung

Etwas später, nach 22 Uhr, kam der Moment der Wahrheit. Ich würde jetzt mein Telefon einschalten, und auf Seite 301 des TXT schauen, wie es steht. Einschalten, App öffnen, die Seite poppt auf, Bern – Fribourg 1:4, das Spiel noch nicht fertig. Direkt schoss eine Träne aus meinem linken Auge, dieselbe Träne, die sich manifestiert, wenn man ein Lied hört (oder in meinem Fall selbstverständlich singt), das an eine vergangene Liebe oder einen nahen Verstorbenen erinnert. Ich bin aufgestanden und habe nur die letzten 1:10 Minuten geschaut, meine Tränen zurückhaltend. Laser Lars Leuenbergers Lächeln in den Schlusssekunden ist ein Bild, das sich für den Rest meines Lebens in meine Erinnerung eingeprägt hat, soviel Klasse und Freude in einem Gesichtsausdruck. Minuten später, als sich beide Mannschaften mit Handshake verabschiedet hatten, war es für einen Moment lang ruhig in der Halle, und man hörte, wie die anwesenden Freiburger die «Lyoba» sangen. Zu diesem Zeitpunkt schossen mir die Tränen aus beiden Augen raus, ein kleines Flüsschen Tränen über beide Backen.

Was für ein tolles Team, was für ein geiler Klub, der mich seit so vielen Jahrzehnten so packt und für emotionale Höhen und Tiefen sorgt. Ich habe zu keinem Zeitpunkt bedauert, nichts vom Spiel gesehen zu haben, die Emotion war am Schluss gleich intensiv wie bei allen anderen auch.

Die Tränen waren aber auch ein Summum der letzten Tage, insbesondere nach der Enttäuschung in Spiel 6 zu Hause und, noch schlimmer, der Situation der Freiburger Fans in der Postfinance-Arena in Spiel 5. Ich war am Samstag fürs Radio vor Ort und musste die zahlreichen menschenverachtenden Szenen, die sich da abgespielt haben, tatenlos mitansehen. Meine Tränen galten auch den schluchzenden Frauen, die bettelnd vor einer von drei starken Security-Angestellten bewachten Kartonkiste voller Gottéron-Fanartikel standen und weg beordert wurden, ohne ihr Eigentum zurückerhalten zu haben. Sie galten dem kleinen Jungen, der neben seinen Eltern weinte, weil drumherum ein halbes Dutzend Leute auf ihn und seinen Vater verbal eindroschen. Und sie galten auch mir, der in Bern auch schon so oft Widerwärtiges erleben musste, dass ich nur noch in offizieller Funktion ins Berner Stadion gehe, als privater Fan mir aber nie wieder ein Spiel auf den Sitz- oder Stehplätzen antun würde. Ich öffne diese Büchse der Pandora nicht noch mehr, ich müsste wohl auch um meine Sicherheit bangen. Aber irgendwo, irgendwie, gab es in dieser Belle auch mal so etwas wie Gerechtigkeit, für all dies, was geschah und seit Jahrzehnten tabuisiert wird. Doch überwiegend waren es Freudentränen, die schönsten Freudentränen seit der Geburt meiner beiden Kinder. Allez Gottéron!

https://freiburger-nachrichten.ch/story/217916/mein-spiel-7-offline-und-unwissend-