Heute vor 24 Jahren: Der Bierkrieg gegen Rapperswil
Gottéron gegen Rapperswil bedeutete am 17. November 1996 auch Cardinal gegen Feldschlösschen. Die aufgeputschten Freiburger gewannen 10:0.
In der 44. Minute wurde der Gegner bereits angezählt. Nicht, dass er nicht schon k.o. gewesen wäre, aber nach Khomutovs 9:0 wollten alle das Zehnte, das Stängeli! Un, deux, trois, quatre, cinq, six, sept, huit, neuf, dix à zero! Lange mussten sich die Fans nicht gedulden, Andy Egli komplettierte in der 45. Minute auf Assist von Pascal Schaller das Stängeli und besiegelte gleichzeitig relativ früh im Spiel das Endresultat. Ja, in den Neunzigern schickte Gottéron seine Gegner öfters mal mit einer richtigen Packung nach Hause, doch kaum jemals zuvor oder danach wollten die Freiburger dem Gegner unmissverständlicher aufzeigen, wer Herr im Hause ist, als an diesem 17. November 1996. Das Spiel fand in einer Zeit statt, als die Feldschlösschen-Hürlimann-Holding die Brauerei Cardinal in Freiburg schliessen und zwischen 200 und 300 Arbeiter entlassen wollte. In der Stadt Freiburger protestierten 10000 Menschen auf der Strasse, 80000 unterschrieben eine Petition gegen den Entscheid.
Und dann stand zufälligerweise das Spiel gegen Rappi auf dem Kalender. Blick schrieb sogar eine Story darüber und berichtete vom bevorstehenden «Bierkrieg». Gottéron spielte unter anderem mit Cardinal als Sponsor, Rappi mit Feldschlösschen-Werbung. An diesem Sonntag-Nachmittag kamen 6835 Zuschauer ins St. Léonard und waren heiss auf diese Schlacht: «Ich war selten an einem Spiel, bei dem die Stimmung schon bei Warm-up der Teams so aufgeladen war. Man spürte, dass das Spiel speziell war», erinnert sich Gottéron-Matchspeaker Alain Hauert, der damals die Spiele noch als Fan verfolgte und in der Kurve stand. «Der Feind mit dem Feldschlösschen-Logo war schnell ausgemacht und wurde schon beim Betreten des Eisfeldes ausgepfiffen.» Noch lange nach dem Spiel sangen die Fans cardinalfeuchtfröhlich weiter und die Cardinal-Vertreter liessen es sich nicht nehmen, jeden Spieler, auch jene des unglücklichen Gegners, mit einem Cageot Cardinal zu beschenken. Für die Gottéron-Spieler zum Feiern, für die Rapperswiler wohl eher, um das Spiel auf der Heimfahrt zu vergessen.
Christian Hofstetter, damals Captain der Drachen und heute Sportdirektor der IIHF, führt aus: «Klar hat uns das damals berührt. Man war Freiburger und es hat einen schon beschäftigt. Ich fuhr täglich an der Brauerei vorbei und solche Unternehmen (wie beispielsweise auch die Brauerei Beauregard) waren sehr verwurzelt im Kanton. Als Freiburger nahm man die Androhung der Schliessung wahr und schlussendlich waren Cardinal und die Brauerei auch ein Teil unserer Identität. Auch heute noch verbindet man Cardinal mit Freiburg, auch wenn es die Brauerei selbst heute nicht mehr gibt.» Man kann heute noch beobachten, wie viele Leute in Freiburg das Bier mit dem Schlösschen immer noch boykottieren, ähnlich wie die Zeitung «The Sun» in Liverpool kaum gekauft wird. Wenn ich am Freitagabend Tessiner Studenten sehe, wie sie mit ihren Zehnerpacks Feldschlösschen zu irgendeiner Privatparty laufen, mache ich sie oft darauf aufmerksam, dass in Freiburg Feldschlösschen eigentlich tabu ist. Zumindest bei Ambri-Fans stosse ich auf offene Ohren. Vor ein paar Jahren entdeckte ich auf einem Pressefoto, wie der Freiburger Schlagzeuger der Kultband Knöppel, René Zosso, eine Feldschlösschen-Dose in den Händen hielt. Auf meinen Einwand hin, dass Freiburger kein Feldschlösschen trinken, rechtfertigte er sich kurzerhand und versicherte mir hochheilig, er habe das Bier nicht getrunken, es sei nur fürs Foto gewesen. Brav so.
Selten war das Publikum im St. Léonard politisch, doch an diesem Sonntagnachmittag stand der Gegner für einen Konzern, der die Freiburger Seele arg durchwühlte, und dieser Funken heiliger Zorn schwappte auf die Mannschaft über. Ab der 45. Minute stellte Gottéron die Offensive ein, ab diesem Moment war neben dem Stängeli nur noch die ebenfalls hochsymbolische «Null» wichtig. Dies gelang dann auch relativ ungefährdet, zu geknickt waren die Rappi-Spieler wegen der drohenden Kanterniederlage. Nach seiner Ehrenrunde und seinem ersten Shutout im St. Léonard, stellte Torhüter und Publikumsliebling Thomas Östlund fest: «Es ist toll, vor so einem Publikum zu spielen.» Hoffen wir doch, dass wir in naher Zukunft bald wieder unsere Lieblingsmannschaft zu Siegen schreien und singen können, ohne Politik und ohne Corona.
Telegramm:
Gottéron – Rapperswil 10:0 (3:0, 3:0, 4:0)
St. Léonard – 6835 Zuschauer – SR: Moreno (Simmen, Sommer)
HC Freiburg Gottéron: Östlund; Bobillier, Brasey; Hofstetter, Descloux; Marquis, Keller; Egli; Khomutov, Bykov, Schneider; Schaller, Rottaris, Dousse, Brown, Oppliger, D. Meier; Reymond. Trainer: Peloffy.
SC Rapperswil Jona: Bayer (ab 44. Wehrli); Martikainen, Seger; Sigg, Bünzli; Muller, D. Meier; Bachöfner, Thibaudeau, Hofstetter; Camenzind, Soguel, M. Meier; Rogenmoser, Thöny, Wohlwend. Trainer: Rautakallio.
Tore: 3. Oppliger (Marquis, Ausschluss Martikainen) 1:0, 9. Marquis (Khomutov) 2:0, 17. Brown (D. Meier) 3:0, 31. (30:07) Schaller (Rottaris) 4:0, 31. (30:45) Brown (D.Meier) 5:0, 35. Schneider (Khomutov, Ausschluss Martikainen) 6:0, 42. Rottaris (Descloux) 7:0, 43. Brown (D.Meier) 8:0, 44. Khomutov (9:0), 45. Egli (Schaller) 10:0.
Strafen: Gottéron 6 x 2 Minuten, Rapperswil 9 x 2 Minuten plus 1 x 10 Min. Disziplinarstrafe gegen Rogenmoser und Capaul.
Bemerkungen: Gottéron komplett. Khomutov (Rückenprellung) ab der 45. Minute schonungshalber durch Reymond ersetzt. Rapperswil ohne Hoffmann, Richard und Weber (alle verletzt); ab dem 2. Drittel ohne Bünzli. Pfostenschuss Brown (42.), Time-out Rapperswil (44.). Wahl zu den besten Spielern: Marquis, Wohlwend.