Patrick Fasel, 21.01.2019, Gotteronblog, Freiburger Nachrichten

Wo warst du am 20. Januar 1987?



Vor 32 Jahren begann Gottéron ein kapitales Spiel gegen Ambri so schlecht, dass viele Zuschauer an eine versteckte Kamera glaubten. Am Ende gewann Freiburg 14:5. Erinnerungen an einen legendären Abend.

Es gibt Spiele, die können nicht erfasst und erzählt werden, man muss sie erlebt haben. Vor 32 Jahren, am Dienstag, den 20. Januar 1987, fand ein gar eigenartiges Spiel im St. Léonard statt. Gottéron empfing Ambri und brauchte wieder mal Punkte, um den drohenden Abstieg (in den Achtzigern ein übliches Szenario, Gottéron halt) abzuwenden. Das Spiel begann schon mal mit fünfzehnminütiger Verspätung, das Licht war ausgefallen. Vor 4900 Zuschauern ging Ambri ohne aufs Tor geschossen zu haben in Führung. Ein Freiburger Verteidiger wollte unter Druck den Puck klären und schoss dem zurücklaufenden Tessiner Metzger an den Rücken, von wo aus der Puck gen Tor flog und dort Goalie Micalef sauber lobbte. Eine Minute später feuerte Rogers den ersten Schuss Richtung Freiburger Gehäuse - und schon stand es 0:2. Noch in der selben Minute zog McCourt von der blauen Linie ab, doch der Schuss misslang ihm. Der Puck kullerte im Schneckentempo bis vors Tor, und, oh Schreck, unter die Schlittschuhe Micalefs und kam nur eine Handbreite hinter der Torlinie zum stehen: 0:3 nach drei Minuten, in einem so kapitalen Spiel, das kann nur Gottéron. In der Halle war es totenstill. Die Zuschauer glaubten nicht, was sie da sahen. Und mit nicht glauben meine ich nicht ungläubig, sondern glaubten, dass da was faul sein musste. Aller Ernstes ging das Gerücht herum, die TSR (heutige RTS) drehe eine Folge von Petit Poisson, eine Westschweizer Kultsendung aus den Achzigern, wo Leute mit einer versteckten Kamera verarscht wurden. Dies umso mehr, weil gut zwei Jahre zuvor, 1984, beim Spiel Lausanne – Sion ein Fernsehjournalist im Tor der Waadtländer gestanden hatte, und die ersten 4 Schüsse durchliess. (Link zum Video weiter unten)

Jene aber, die nicht an eine versteckte Kamera glaubten, gingen wieder nach Hause. «Beim 0:3 verliessen viele Zuschauer das Stadion, ich muss zugeben, wir schämten uns wirklich», erinnert sich Gil Montandon. Sehr schade für alle, die gingen, denn ab diesem Zeitpunkt begann ein neues Spiel. Gottéron, im Selbststolz verletzt, packte nun den heiligen Zorn aus und arbeitete sich nach und nach zurück. Ambri hingegen gab sich mit der 3:0-Führung zufrieden und schaltete zwei Gänge zurück. Was zu Beginn unmöglich erschien, wurde Tatsache. Gottéron drehte noch im ersten Drittel das Spiel und führte zum ersten Pausentee 4:3. Von der Hölle ins Paradies in weniger als 20 Minuten, Gottéron halt. Im zweiten Drittel spielte nur noch die Heimmannschaft, und hätte eigentlich schon im Mitteldrittel alles entscheiden können, das Spiel fand nur noch vor Brian Daccords Tor statt, doch der Puck wollte einfach nicht rein, Chance um Chance wurde versiebt, und Daccord lieferte eine Heldenleistung ab. Die Liberté schrieb am Tag danach, man hätte schon im zweiten Drittel ein wahres Torfestival verpasst. Schlimmer noch, Ambri war es, das in der 35. Minute in Unterzahl durch Jaks wieder ausgleichen konnte. Ich schreibe es hier ein letztes Mal: Gottéron halt. Doch kurz vor dem Ende des Mitteldrittels brachte Lüdi auf Assist von Sauvé Gottéron wieder in Führung.

Im letzten Drittel brachen dann alle Dämme. Wie in Trance preschte Fribourg nach vorne und erzielte bei fast jedem Angriff ein Tor. Ambri war durch, und stand zum Teil nur noch herum und liess sich durch Metzger und Tschumi zu bösen Frustfouls verleiten. Zwischen der 45. und der 56. Minute erzielte Gottéron 9 Tore in 11 Minuten – historisch! Montandon führt aus: «Im letzten Drittel kam Ambris Peter Jaks zu mir. Ich kannte ihn gut, er war mein rechter Flügel in der Nati. Er sagte zu mir, Gil, das ist dein Abend, hör nicht auf, mach weiter so». Und tatsächlich gelangen Montandon im letzten Drittel noch drei Tore, fünf insgesamt in diesem Spiel, ein Rekord in seiner Karriere.
«Gilou» weiter: «Nach dem Spiel lachten wir zusammen in der Kabine, wie wohl die Zuschauer staunen würden, welche das Resultat erst tags darauf aus der Zeitung erfahren würden. Damals gabs noch keine IPhones, kein Internet, entweder warst Du am Spiel oder hast das Resultat am nächsten Tag in der Zeitung gelesen.»
Dieser 14:5-Sieg war zu diesem Zeitpunkt der höchste Sieg Gottérons in der NLA. Ich war damals 9 Jahre alt und in der Halle. Gut möglich, dass dies meine erste Abo-Saison war. Es war aber bestimmt nicht mein erstes Gottéronspiel, doch wird es auf ewig eines der frühesten Spiele bleiben, an welches ich mich erinnern kann. Auch ich dachte damals, dass es Gottéron in den ersten paar Minuten «extra» gemacht hatte. Doch weil ich bekanntlich erst bei Viertore-Rückständen nach Hause gehe, durfte ich dieses tolle Spiel bis zum Schluss erleben und erinnere mich ab und zu mit der sehr alten Garde von Gottéronfans an diesen legendären Abend.


Video der Petit Poisson Sendung vom Spiel Lausanne - Sion : https://www.youtube.com/watch?v=9JRfZfOk5jc


Das Telegramm:

Fribourg-Gottéron: Micalef; Hofstetter, Brasey; Jäggi, Silling; Weber; Rotzetter, Montandon, Sauvé; Lüdi, Pleschberger, Rod; Lauber, Mirra, Maurer; Jaquier. Trainer: Ruhnke

Ambrì Piotta: Daccord: B. Celio, Kölliker; Mettler, Tschumi; F. Celio, Riva; Vigano, McCourt, Rogers; Fransioli, Kaszycki, Jaks; Richter, Metzger, Brambilla. Trainer: von Mentlen

Tore: 2. Metzger 0-1, 3. Rogers (Vigano) 0-2, 3. McCourt (Vigano) 0-3, 6. Weber (Montandon) 1-3, 8. Montandon (Sauvé/Ausschluss Metzger) 2-3, 19. Rod (Jäggi) 3-3, 20. Montandon (Sauvé) 4-3, 35. Jaks (McCourt/Ausschluss Metzger !) 4-4, 39. Lüdi (Sauvé) 5-4, 45. Sauvé (Lüdi, Montandon) 6-4, 47. Hofstetter (Rod) 7-4, 48. McCourt 7-5, 49. Pleschberger (Lüdi) 8-5, 50. Montandon (Sauvé/Ausschluss Metzger) 9-5, 51. Rotzetter (Sauvé/Ausschluss Metzger) 10-5, 54. Montandon (Weber) 11-5, 54. Montandon (Sauvé) 12-5, 56. Brasey (Mirra) 13-5, 56. Lüdi (Rod) 14-5.